„Januar, Februar, März, April — die Jahresuhr steht niemals still“

Wer erinnert sich nicht gerne an dieses beliebte und bekannte Lied aus vergangenen Kindertagen zurück. Schon die Kleinsten bemerken mit eigenen Augen die Veränderungen, die im Laufe der Jahreszeiten in der Natur zu entdecken sind und welche zarten kleinen Boten uns zum Beispiel den nahenden Frühling ankündigen.
Diese rein empirischen Beobachtungen mit den bloßen Augen bilden auch die Grundlage des Phänologischen Kalenders.

Die Phänologie ist die Lehre, die sich mit den jährlich immer wiederkehrenden Erscheinungen in der Tier- und Pflanzenwelt beschäftigt. Man betrachtet demnach bei Pflanzen zum Beispiel den Augenblick der Knospenentfaltung und bei den Tieren bestimmte Verhaltensweisen zur Paarungszeit. Die klassischen Jahreszeiten werden beim phänologischen Kalender zusätzlich in weitere Perioden gegliedert. Der Frühling teilt sich hier in den Vorfrühling (Februar bis Ende März), den Erstfrühling (Ende März bis Mitte April) und den Vollfrühling (Mitte April bis Ende Mai). Besonders für Hobbygärtner ist diese Betrachtung der Natur und des Wetters von großer Bedeutung. Würde sich jeder bei der Aussaat von Blumen- und Gemüsesämereien nur auf die Angaben des Samentütchens halten, könnte dies fatale Folgen haben, kann es doch nicht selten passieren Ende März noch einmal von einem klirrenden Nachtfrost überrascht zu werden.

Kalendarischer Frühlingsanfang ist bekanntlich der 21. März. Doch auch dieses Jahr hat uns der Blick nach draußen eher enttäuscht, als erquickende Frühlingsgefühle zu erwecken.
Die ersten Boten des Vorfrühlings sind eindeutig die Schneeglöckchen. Die zierlichen Pflänzchen — übrigens Gartenflüchtlinge mit Ursprung in Südosteuropa, sind die ersten mutigen Frühblüher, die sich teilweise sogar noch durch dicke Schneedecken ans Licht wagen und die zu tanzen beginnen, wenn der Wind durch sie hindurch pustet. Fast zeitgleich präsentiert sich die gemeine Hasel, die zu den ersten blühenden Gehölzen gehört.

Der Erstfrühling gleicht im Gegensatz zu dem noch leicht kargen Vorfrühling einem wahren Blütenfeuerwerk. Märzenbecher, Lungenkraut, Schlüsselblume, Buschwindröschen, Hohler Lerchensporn, zart duftende Märzveilchen oder das strahlend gelbe Scharbockskraut erfreuen nicht nur uns Menschen. Schnell tummeln sich auch die ersten Bienen, Hummeln und Schmetterlinge, wie der Zitronenfalter, auf dem herrlichen Blütenmeer. Dies ist auch einer der Gründe, weswegen man vom Pflücken der zarten Frühblüher absehen sollte — bieten sie doch die erste Nahrung für diese Tierchen. Und auch wenn es verlockend scheint, sich diese Farbenfreude in die heimischen vier Wände zu holen, sollte man der Versuchung widerstehen und die üppige Blütenpracht lieber auf einem gemütlichen Spaziergang vom Weg aus genießen. Denn die feinen Pflanzen lassen rasch die Köpfe hängen und viele Frühblüher sind zudem, auf Grund ihrer Seltenheit, besonders geschützt. Dazu gehören zum Beispiel Schlüsselblume und Märzenbecher.
Neben der Flora erwacht natürlich auch die Fauna endlich aus süßen Winterträumen oder kehrt aus ihrem tropischen Winterquartier zurück und beginnt mit dem geschäftigen Nestbau und der Partnersuche. Siebenschläfer und Igel wagen sich wieder ans Licht, Kröten und andere Amphibien tauen aus ihrer Starre auf und Rotmilan, Kuckuck oder Star sind nur wenige Beispiele der Zugvögel, die nun mit ihrem Gesang und unverwechselbaren Rufen wieder unsere Natur bereichern. Doch trotzdem ist Vorsicht geboten bei den ersten Gartenarbeiten. In einem kühlen Frühjahr bleiben einige Tiere außergewöhnlich lange in ihrem Winterquartier (z.B. Laubhaufen oder Kompost).
Kröten begeben sich schon zeitig auf ihre gefährliche Reise zu ihren Laichgewässern. Autos, Fahrräder und aktuell auch Waschbären gefährden die nützlichen Insektenvertilger, die übrigens auch bei Nacktschnecken keine Kostverächter sind.

Zu keiner anderen Jahreszeit kann man das geschäftige Treiben in der Tier- und Pflanzenwelt so gut beobachten. Es gleicht einer Explosion, einem natürlichen Chaos, einem ausgeklügelten Multitasking.

Mit dem Einsetzen der Apfelblüte und der Blattentfaltung der Stieleiche beginnt schließlich der Vollfrühling. Flieder, Bärlauch, Rosskastanie und Goldregen beginnen zu blühen und verströmen ihren typischen würzigen — nahezu betörenden Duft. Der Frühling ist eine besondere Zeit. Er kehrt jedes Jahr wieder, verläuft jedes Mal anders und fasziniert uns immer wieder.

Text und Bilder: Elisabeth Schumann (Freiwillige des ökologischen Jahres)