Fortsetzung des Blogeintrags vom 19. Juli 2024
Zur Brutzeit bekam die Auwaldstation unerwarteten Besuch. Ein bei uns eher selten anzutreffendes Gebirgsstelzenpärchen hatte die Auwaldstation als Sommerquartier auserwählt. Die sperlingsgroßen Singvögel mit leuchtend gelben Bäuchen machten es sich in einem Nistkasten in Wassernähe gemütlich wo man das Nest gespannt beobachten konnte. Nach 11 bis 16 Tagen sollten die kleinen Gebirgsstelzen flügge geworden sein. Doch die Zeit verstrich und der Nachwuchs kam und kam nicht aus dem Nest. Vielleicht war die Brut nicht erfolgreich? Aber warum fliegen die Eltern trotzdem Tag für Tag fleißig ein und aus? Eines Morgens passierte etwas Ungewöhnliches: Auf der Treppe der Besucherplattform saß ein Vogel, der zunächst Rätsel aufgab.
Er war etwa taubengroß und grau-weiß gebändert. Handelt es sich um einen Wendehals? Nach einigen Minuten konnte das Rätsel gelöst werden. Es war ein junger Kuckuck. Immer wieder riss er sein rotes Schnäbelchen weit auf: „Ich habe Hunger!“. Die Gebirgsstelzen flogen heran und fütterten den Jungvogel, den sie für ihren Nachwuchs hielten. Unsere überraschenden Gäste, die Gebirgsstelzen, hatten selbst einen unerwarteten Gast.
Der Kuckuck – Ein Meister der Täuschung
Der Kuckuck (Cuculus canorus) ist ein Brutparasit. Das bedeutet, dass Kuckucksweibchen ihre Eier nicht in eigene Nester legen, sondern in die Gelege anderer Vogelarten. So haben sie einen klaren Überlebensvorteil, weil sie sich nicht mit dem Bau von Nestern und der Suche nach Nahrung für ihren Nachwuchs beschäftigen müssen.
Wie funktioniert der Brutparasitismus?
Kuckucke sind auf bestimmte Wirtsvogelarten spezialisiert. Die Weibchen wissen bei welchen „Eltern“ sie aufgewachsen sind und lauschen nach deren Rufen. Finden sie ein Pärchen derselben Art, startet die Kuckucks-Mission. Sobald die Wirtsvögel mit dem Legen der Eier beginnen, beobachten die Kuckucke das Nest und warten auf den richtigen Moment, um ihr eigenes Ei in dieses Nest zu mogeln. Dabei machen sie sich gleich mehrere Täuschungen zunutze.
Täuschung Nummer eins: Mit dem gesperberten Bauch sehen sie Greifvögeln sehr ähnlich. Fliegen sie das Nest an, bekommen die Wirtsvögel Angst und verlassen das Nest. Jetzt kommt das Kuckucksweibchen ins Spiel. Es fliegt ins Nest, nimmt eines der Eier in den Schnabel und legt blitzschnell ein eigenes Ei. Das Ganze dauert nur etwa fünf Sekunden.
Täuschung Nummer zwei: Damit die Wirtseltern das Ei als eigenes ansehen, darf das Kuckucksei im Nest zwischen den anderen Wirtseiern nicht auffallen. Kuckucke haben ihre Eier im Laufe der Evolution so angepasst, dass sie denen bestimmter Vogelarten ähnlich sehen. So legt ein auf Gartenrotschwänze spezialisierter Kuckuck blaue Eier und ein auf Goldammern spezialisierter schwarz-weiß gefleckte.
Was macht den Kuckuck an der Auwaldstation so besonders?
Da Gebirgsstelzen bei uns seltener vorkommen und brüten, ist es überraschend, dass es hier ein Kuckucksweibchen gibt, das auf Gebirgsstelzen spezialisiert ist. Wir fragen uns, ob es eventuell möglich ist, dass dieses Kuckucksweibchen eigentlich auf Bachstelzen (Motacilla alba) spezialisiert ist, die häufiger in unserer Region vorkommen. Die Gelege der Bachstelze und Gebirgsstelze sind sich ziemlich ähnlich, sodass ein Bachstelzen-Kuckucksei möglicherweise auch die Gebirgsstelzen erfolgreich täuschen konnte.
Unser Gebirgsstelzenpärchen hat den Kuckuck akzeptiert und großgezogen. Mittlerweile ist der kleine Kuckuck flügge geworden und hat, wie auch die Gebirgsstelzen, die Auwaldstation verlassen. Wir hoffen, dass das Gebirgsstelzenpärchen im nächsten Jahr wieder bei uns brüten wird. Ob sich die Geschichte dann wiederholt?
Fortbildung für Multiplikatoren und Naturinteressierte
Ab in den Wald! Basiskurs
Wir suchen noch finanzielle Unterstützung für das nächste große Projekt: Die Sanierung der denkmalgeschützten Kegelbahn im Schlosspark.
Im nächsten Bauabschnitt soll die Toilettenanlage fertig saniert werden, damit der Kopfbau für Veranstaltungen genutzt werden kann.
Noch mehr Informationen und Veranstaltungen zum Leipziger Auwald sowie das Buch „Der Leipziger Auwald: Ein Natur- und Erlebnisführer“ finden sich auch auf www.leipziger-auwald.de.
Schloßweg 11, 04159 Leipzig
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